Deutschland bleibt Hauptziel für Produktfälschungen – Milliardenschaden für die Wirtschaft
Deutschland steht erneut im Fokus internationaler Produktpiraterie. Nach aktuellen Zahlen der EU-Agentur für geistiges Eigentum (EUIPO) sind gefälschte Waren weiterhin ein massives Problem für Wirtschaft, Handel und Verbraucher. Besonders betroffen sind bekannte Markenartikel – von Kleidung über Parfüm bis hin zu Elektronik. Der Schaden geht in die Milliarden.
144.000 Pakete mit Fälschungen pro Woche
Laut Markenverband erreichen jede Woche rund 144.000 Pakete mit gefälschter Ware Deutschland. Damit ist die Bundesrepublik das Hauptziel für Fälschungen in der gesamten EU. Der Verband spricht von einem jährlichen wirtschaftlichen Schaden von über acht Milliarden Euro. Besonders kritisch: Nur 0,74 Prozent der aufgedeckten Fälle führen überhaupt zu gerichtlichen Verfahren.
Präsident Franz-Olaf Kallerhoff warnt: „Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass unser Markt mit gefährlichen und gefälschten Produkten überschwemmt wird.“ Er fordert mehr Schutz für Marken, Konsument:innen und faire Händler.
EU-Behörden schlagen Alarm
Im Jahr 2024 stellten die Zollbehörden an den EU-Außengrenzen und im Binnenmarkt 112 Millionen gefälschte Artikel sicher. Zwar lag die Zahl der beschlagnahmten Produkte leicht unter dem Vorjahr, doch ihr Warenwert erreichte mit 3,8 Milliarden Euro einen neuen Höchststand.
Etwa ein Viertel dieses Wertes entfällt auf Deutschland – mehr als auf jeden anderen Mitgliedsstaat. Der Grund liegt auf der Hand: Als größte Volkswirtschaft Europas mit international bekannten Marken ist Deutschland ein besonders attraktives Ziel für Fälscher.
Welche Produkte sind betroffen?
Besonders häufig werden folgende Produktgruppen gefälscht:
- CDs, DVDs und Videospiele (rund 33 %)
- Spielwaren (18 %)
- Kleidung und Accessoires (13,5 % zusammen)
- Zigaretten, E-Zigaretten, Parfüms und Kosmetika
Ein Großteil der gefälschten Waren stammt laut EUIPO aus China und der Türkei. Als wichtigster Vertriebsweg gelten große Online-Plattformen, auf denen gefälschte Produkte oft kaum von Originalen zu unterscheiden sind.
Schwache Kontrollen und fehlende Haftung
Technische Fortschritte machen Fälschungen heute täuschend echt. Gleichzeitig sind die Kontrollkapazitäten begrenzt, insbesondere durch den stark wachsenden Onlinehandel. Die Haftung der Plattformbetreiber ist bislang unzureichend geregelt – viele Verkäufer bleiben anonym, und Verstöße werden selten sanktioniert.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Markenverband fordern daher:
- mehr Personal und bessere Ausstattung für Zoll und Marktüberwachung
- eine Abschaffung der Zollfreigrenze von 150 Euro
- Anmeldepflicht für jedes Paket
- ein Verbot für das erneute Einstellen entfernter Fälschungen
HDE-Präsident Alexander von Preen betont: „Wer hierzulande Waren verkauft, muss sich an die Regeln halten. Sonst blutet der faire Handel aus.“ Nach Schätzungen sind rund 64.000 Arbeitsplätze bedroht.
Gefahr auch für Verbraucher:innen
Gefälschte Produkte sind nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern auch ein Sicherheitsrisiko. Bei der Herstellung werden häufig gesundheitsgefährdende Stoffe verwendet, Sicherheitsprüfungen fehlen – ebenso wie eine Produkthaftung.
Verbraucher:innen, die eine Fälschung erhalten, sollten den Plattformbetreiber informieren und Anzeige erstatten. Der Besitz ist in den meisten EU-Staaten zwar nicht strafbar, der Weiterverkauf dagegen verboten.
Produktpiraterie bleibt eine der größten Herausforderungen im europäischen Handel. Deutschland trägt als führende Industrienation die Hauptlast – und zahlt dafür jährlich Milliarden. Nur durch stärkere Kontrollen, klare Haftungsregeln und internationale Zusammenarbeit lässt sich die Flut an Fälschungen langfristig eindämmen.
(Quelle: stern.de)